05.08.2025

Viel versprochen, wenig geliefert – warum der Bau-Turbo nicht zündet

„Bauen, bauen, bauen“ – mit diesen drei Worten eröffnete Friedrich Merz seine Amtszeit. Bauministerin Verena Hubertz legte sofort nach und versprach Tempo. Ein neues Gesetz, Paragraf 246e Baugesetzbuch, sollte es möglich machen: Kommunen dürfen ohne Bebauungsplan bauen, die Verfahren sollten sich halbieren und der Wohnungsbau - so die Ankündigung - endlich wieder ordentlich ins Rollen kommen.

Doch statt Tempo herrscht Stillstand.

Der „Bau-Turbo“ liegt auf Eis und die weitere Entwicklung bleibt ungewiss. Zwar wurde das Gesetz am 18. Juni im Kabinett beschlossen, doch bis heute nicht verabschiedet. Die von Hubertz ausgesprochene 100-Tage-Frist läuft ab – und endet voraussichtlich ohne Ergebnis. Aus dem versprochenen Durchbruch wird ein bürokratischer Blindflug.

Ein Grund dafür: der Bundesrat bremst.

Zwar muss die Länderkammer dem Bau-Turbo formal nicht zustimmen – aber sie kann ihn sehr wohl aufhalten. Und genau das passiert jetzt. Der Bundesrat hat eine umfassende Stellungnahme vorgelegt. Darin fordert er Nachbesserungen: beim Umwelt- und Artenschutz, bei der kommunalen Mitsprache und beim Schutz der Länderkompetenzen. Vor allem stört sich die Länderseite daran, dass § 246e tief in ihre Planungshoheit eingreifen könnte.

Das Gesetz liegt also – nicht offiziell blockiert, aber politisch eingefroren. Die Vorschläge des Bundesrats gehen zurück an den Bundestag. Dort muss neu verhandelt werden. Tempo sieht anders aus.

Fördermittel für seriellen Bau getilgt

Während die Ministerin öffentlich Tempo fordert, zieht die Bundesregierung im Hintergrund den Stecker: Die Förderung für seriellen Wohnungsbau wurde im Haushalt 2026 fast vollständig gestrichen. Das Sanierungsprogramm fällt von 150 auf 35 Millionen Euro. Auch die Mittel aus der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) wurden deutlich reduziert. Wer in modulare Produktion investiert hat, steht nun ohne Rückendeckung da.

Die Branche versteht die Welt nicht mehr. Jahrelang hieß es: Serienbau ist die Lösung. Vorfertigung spart Zeit, senkt Kosten, schont Ressourcen. Und jetzt? Weggekürzt.

Besonders betroffen: die Holz- und Modulbauindustrie. Diese Betriebe brauchen Planungssicherheit. Das bedeutet Abnahmeverträge sowie verlässliche Prozesse. Doch was sie bekommen, ist das Gegenteil. Gesetz unklar. Förderung weg. Regeln uneinheitlich.


Leichte Erholung bei Genehmigungen – aber kein Aufbruch

Dabei drängt die Zeit. Im ersten Quartal 2025 wurden 55.400 Wohnungen genehmigt. Ein Plus von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr – immerhin. Der Zuwachs wirkt auf den ersten Blick positiv – tatsächlich bezieht sich die Zahl aber auf ein historisch schwaches Vorjahr. Im ersten Quartal 2024 lag der Wohnungsbau am Boden, frühere Jahre erreichten im selben Zeitraum deutlich höhere Werte von über 80.000 genehmigten Einheiten. Die Steigerung ist real – aber sie findet auf niedrigem Niveau statt. Aber längst kein Aufbruch. Einfamilienhäuser legten zu, Mehrfamilienhäuser stagnierten. Wer heute Projekte plant, weiß nicht, ob er in sechs Monaten überhaupt bauen darf.

Dabei drängt die Zeit. Im ersten Quartal 2025 wurden 55.400 Wohnungen genehmigt – ein Plus von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch das vermeintliche Wachstum täuscht: Der Vergleich bezieht sich auf ein außergewöhnlich schwaches Jahr. Im ersten Quartal 2024 lag der Wohnungsbau am Boden, frühere Jahre erreichten im selben Zeitraum teils über 80.000 Einheiten. Die Steigerung ist real – aber sie erfolgt auf niedrigem Niveau. Von einem echten Aufbruch kann keine Rede sein. Einfamilienhäuser legten zu, Mehrfamilienhäuser stagnierten. Gerade dort, wo der größte Bedarf besteht, bleibt die Entwicklung stehen. Und die Unsicherheit wächst: Wer heute Projekte plant, weiß oft nicht, ob er in sechs Monaten überhaupt bauen darf.

Behördenstruktur bremst Tempo


In den Bauämtern fehlen die Grundlagen. Die meisten Kommunen arbeiten weiter analog oder mit veralteter Software. Digitale Anträge? Zukunftsmusik. Neue Stellen für schnellere Bearbeitung? Fehlanzeige.

Holzbau bleibt Flickenteppich

Auch der Holzbau kommt nicht vom Fleck. Während Bayern Holzbauten bis 22 Meter erlaubt, liegt die Grenze in Hamburg bei dreizehn Metern. Wer bundesweit plant, muss jedes Mal neu anfangen – ein föderaler Hindernislauf.

Verena Hubertz hatte einen ambitionierten Plan. Der Bau-Turbo sollte der Startschuss für eine neue Baupolitik werden. Doch der Motor stottert, bevor er anspringt. Die Branche schaut genau hin – und wartet darauf, dass aus dem politischen Signal endlich konkrete Schritte werden.



Was hinter dem sogenannten „Bau-Turbo“ steckt

Mit dem neuen § 246e Baugesetzbuch (BauGB), bekannt als „Bau-Turbo“, hat die Bundesregierung am 18. Juni 2025 eine Sonderregelung auf den Weg gebracht, um den Wohnungsbau in angespannten Märkten massiv zu beschleunigen. Sie gilt bis Ende 2030 und soll Kommunen mehr Spielraum geben, um schneller Wohnraum zu schaffen, ohne langwierige Planungsverfahren.

Der Paragraf stellt damit eine Art Schnellspur im Baurecht dar. Er erlaubt es, auf zentrale Vorgaben wie Bebauungspläne zu verzichten und verkürzt Genehmigungsprozesse erheblich. Gleichzeitig ist er politisch umstritten, da er tief in die kommunale Planungshoheit eingreift.

Was steckt dahinter?


Normalerweise müssen Bauvorhaben in Deutschland viele Hürden nehmen: Bebauungspläne, lange Genehmigungsverfahren, Beteiligung verschiedener Behörden. § 246e BauGB erlaubt es, genau das zu umgehen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen:

1. Kommunen können ohne Bebauungsplan bauen, wenn dadurch Wohnraum geschaffen wird.

2. Die Genehmigung muss innerhalb von zwei Monaten erfolgen - sonst gilt der Antrag automatisch als bewilligt (sogenannte Genehmigungsfiktion).

3. Die Regelung gilt nur in Gebieten, die per Rechtsverordnung als „angespannter Wohnungsmarkt“ ausgewiesen wurden.

4. Sie ist zeitlich befristet bis Ende 2030.

Ziel ist es, Projekte schneller auf den Weg zu bringen – vor allem dort, wo Wohnungen besonders knapp sind. Dabei bleibt die letzte Entscheidung bei der Kommune: Sie muss dem Vorhaben ausdrücklich zustimmen.

§ 246e BauGB ist also so etwas wie die Überholspur für den Wohnungsbau – gedacht als Antwort auf jahrelange Bauverzögerungen, aber politisch umstritten, weil er in kommunale Planungshoheit eingreift.

Was erlaubt der „Bau-Turbo“ konkret?

Genehmigungsfiktion: Wird ein Bauantrag nicht innerhalb von zwei Monaten entschieden, gilt er automatisch als genehmigt.

Kein Bebauungsplan nötig: Kommunen dürfen auch ohne bestehenden Bebauungsplan grünes Licht geben – selbst bei Abweichungen vom geltenden Recht.

Gebietsbindung: Das Grundstück muss in einem Gebiet liegen, das per Rechtsverordnung als „angespannter Wohnungsmarkt“ ausgewiesen wurde (§ 201a BauGB).

Zustimmung der Kommune: Die Gemeinde muss dem Vorhaben ausdrücklich zustimmen und kann es mit Auflagen versehen.

Breiter Anwendungsbereich: Gilt für Neubau, Umnutzung, Erweiterung und Aufstockung – auch für Quartiersentwicklungen.

Außenbereich nur eingeschränkt: Hier sind Umwelt- und Flächenschutz besonders zu beachten.

Warum das Ganze?


Ziel ist es, Planung zu verschlanken und den Wohnungsbau wieder in Gang zu bringen – vor allem dort, wo der Bedarf am größten ist. Kommunen sollen handlungsfähig bleiben, zugleich aber von Bürokratie entlastet werden. Die Hoffnung: mehr Tempo, mehr Wohnraum. Die Sorge: Verlust an Steuerbarkeit und Qualität.
Viel versprochen, wenig geliefert – warum der Bau-Turbo nicht zündet
Foto/Grafik: A/ Suryani
Schneller bauen, schneller genehmigen – das versprach § 246e BauGB. Doch der Bau-Turbo kommt nicht in Fahrt

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